Da sind Sie wieder: Die ersten Weihnachtskekse und Lebkuchen haben den Weg in die Supermärkte gefunden. Fast zeitgleich
erhöhen wohltätige Organisationen ihre Mailingfrequenz um Spenderinnen, Spender und Firmen als Unterstützer zu
gewinnen. Trotz Pandemie, Wirtschaftssorgen und steigender Inflationsrate ist die Spendenbereitschaft hoch. interfon adress
versucht mit dem Fundraising-Experten und Herausgeber des Fundraiser-Magazins Matthias Daberstiel herauszufinden, warum
dies so ist und was B2B-Kampagnen hiervon vielleicht lernen könnten.
Experteninterview
interfon adress: Herr Daberstiel vielen Dank, dass Sie sich heute Zeit nehmen. Gefühlt sind in den letzten Jahren die Auflagen im Fundraising eher gestiegen als gesunken, oder?
Matthias Daberstiel: Ja, im Pandemiejahr 2020 sind die Auflagen gestiegen. Da andere Fundraisingmethoden, wie Events, Galas oder auch das Face-to-Face-Fundraising kaum möglich waren, wurde wieder verstärkt auf Spendenbriefe gesetzt.
Die Postdienste schätzen, dass jährlich etwa eine Milliarde Sendungen verschickt werden. Das ist im Gegensatz zu vielen anderen Versendern ein eher stabiles Aufkommen.
Dann steht das Telefon nicht nur vor Weihnachten bei Ihnen nicht still?
Naja, wer erst kurz vor Weihnachten seine Spendenaktionen plant, hat schon verloren, weil es fortwährend weniger Adressen für die Neuspendergewinnung gibt. Viele Organisationen planen jetzt sogar schon für Ende 2022.
Aber es gibt natürlich „Feuerwehrkunden“ – so nenne ich sie – welche kurz vor knapp noch einen Spendenbrief versenden wollen. Da sind dann die Kapazitäten meist sehr knapp.
Denn ein Mailing ist ein kompliziertes Produkt mit vielen Stufen.
Warum aber immer so stark vor Weihnachten?
Nun es hat sicher nichts mit der Zeit des Schenkens zu tun. Manchem macht das sicher auch ein schlechtes Gewissen, aber das ist nicht der Hauptaspekt. Es geht um die persönliche finanzielle Situation. Am Ende des Jahres weiß ich, wie viel ich in der Tasche habe und das Weihnachtsgeld wird bei dem ein oder anderen auch noch hinzukommen. Das ist der eigentliche Grund warum ein hoher Anteil der Spenden in der Vorweihnachtszeit fließt.
Das Postmailing erzielt Jahr für Jahr stabile Umsätze – gibt es hierfür eine Rezeptformel oder gar ein Geheimnis?
Die klassische Spenderzielgruppe ist die 65 plus, und die ist noch immer sehr briefaffin. Der Brief vereint zwei Welten: Emotion und Information. Das können nur wenige Medien. Außerdem ist es ein sehr persönliches Medium.
Gute Spendenbriefe werden deshalb in der Ich-Form geschrieben. Sie lassen den Empfänger an der persönlichen Erfahrung des Schreibenden teilhaben und man bringt eine persönliche Bitte vor.
Was können klassische B2B-Versender von Fundraising-Kampagnen übernehmen, um erfolgreich ihre Kunden „zu triggern“?
Ich glaube, moderne Werbung muss noch viel stärker in die Welt der Empfänger eintauchen. Ein Brief erreicht die Menschen zu Hause. Da erwartet man Ehrlichkeit, Offenheit, vielleicht auch etwas Unterhaltung. Gutes Marketing sollte Spenderinnen und Spender immer mehr zu Fans der guten Sache machen.
Das können B2B-Marken auch. Der Vertrauensaufbau dafür ist unabdingbar. Werte wie Verlässlichkeit, Nachhaltigkeit, Treue und Professionalität sind da wichtig. Alles Werte die auch Non-Profit-Organisationen hochhalten. Der Brief mit seiner Kombination aus Haptik, Bildsprache und gutem Text kann da eine Menge bewegen, wenn er bei der richtigen Person ankommt.
Und eins sehe ich auch immer wieder: Briefe die mehrere Zieleverfolgen? Das funktioniert nicht! Ein Call-to-Action muss reichen.
Gibt es eine Kampagne, die Ihnen besonders imponiert?
Die aktuelle Kampagne der Kirchengemeinde im Dresdner Stadtteil Leubnitz-Neuostra. Die Gemeinde hatte für die Rettung ihrer alten Kirche die Zielgruppe der Kirchengemeinde und die Gruppe der Nachbarinnen und Nachbarn im Stadtteil mit zwei verschiedenen Briefen angesprochen und so die richtige Ansprache für beide Gruppen gefunden. Die einen mit dem Gotteshaus, die anderen eher mit dem Thema der Erhaltung des Kulturdenkmals in der Nachbarschaft. So kamen trotz Corona über 270.000 Euro bei der Kampagne Gib-festen-halt.de zusammen! Die Briefe wurden von Mitgliedern der Gemeinde gefaltet, eingetütet und
ausgetragen. Das hat viel Geld gespart und sich zusätzlich auch noch rumgesprochen.
Fünf Tipps: Was B2B-Versender vom Fundraising lernen können
- Vertrauensaufbau und Wertevermittlung
- Emotionen bildhaft wecken
- Ein Ziel: Nur eine Handlung hervorrufen
- Haptik und Bildsprache aufeinander abstimmen
- Guter Text: den Empfänger an persönlicher Erfahrung teilhaben lassen
Matthias Daberstiel
Geschäftsführer
Fundraiser-Magazin GbR
www.fundraiser-magazin.de